Dolly Parton: Ein Wert über alle Zeit
100 Millionen verkaufte Alben, 3000 eigene Songs: Dolly Parton ist das Mass aller Dinge. Auch in Sachen Körbchengrösse.
Von Susanne Loacker - Oktober 2013
Ihr Busen ist wirklich gigantisch. Die zwei herausragenden Merkmale und ihr jugendlich glattes Gesicht stehen in schon fast tragikomischem Kontrast zu den dünnen Ärmchen und Beinchen und der faltigen Hände der schmalen Frau.
Dolly Parton, die Country-Ikone aus den USA, ist inzwischen 67 und hat sich ungezählte Male öfter unter das Messer des Schönheitschirurgen begeben. «Ich fühle mich jung.» Ihr Lachen ist jung geblieben. «Und ausserdem kann ich gar nicht älter werden», sagt sie, «Cartoons altern nicht. Ich sehe eh schon aus wie Mickey Mouse.»
Dolly Parton, erst Kinderstar, später Busenwunder, blondbemähnte Glamourfrau, Pop-Ikone. Nach fast 30 Jahren geriet ihre Karriere in den Achtzigerjahren ins Stocken. Nach Jahren ohne Hit schien die Gesangskarriere der auch als Schauspielerin und Unterhaltungsunternehmerin erfolgreichen Dolly Parton zu stagnieren. «Für eine ältere Künstlerin gibt es in den Charts der heutigen Musikindustrie wenige Chancen», sagte sie damals.
Daraufhin probte sie das kommerzielle Comeback auf alle möglichen Arten. Doch weder ein Duett mit Country-Star Billy Ray Cyrus noch ihre Zusammenarbeit mit Pam Tillis brachten sie ins Scheinwerferlicht zurück. Und das, obwohl Dolly Parton, seit sie 1968 den ersten ihrer bisher acht CMA-Awards - so etwas wie Country-Oscars - einheimste, eine der wirklichen und wichtigen Country-Stilistinnen ist. Mit ihrer klaren Stimme, ihrer sexy Aufmachung und nicht zuletzt mit ihren Songs betörte Dolly Parton Männer-, aber durchaus auch Frauenherzen.
Für die Frauen hat sie alles in allem mehr geleistet als für die Männer. So wie einst Kris Kristofferson Country mit maskuliner Sinnlichkeit anreicherte, ist Dolly Parton aus weiblicher Sicht viel zu verdanken. Armut, Frauenfrust und -lust und Religion als Rettung, wenn auch südstaatlich bigott, hat Dolly Parton schon in den siebziger Jahren mutig thematisiert. Aber lange und nachhaltig hat ihr Äusseres einen Grossteil des Publikums von ihren Qualitäten als Songschreiberin abgelenkt.
An ihre künstlerischen Qualitäten hat sich Dolly Parton zu diesem kritischen Zeitpunkt in ihrer Karriere gerade rechtzeitig erinnert. Die Wende brachte in den späten Achtzigerjahren eine radikale Rückkehr zum fast bluegrassigen Country. 1987 erschien "Trio", ein Album mit Emmylou Harris und Linda Ronstadt, und 1989 "Hungry Again", ein programmatisches Album mit einem Dutzend Songs, alle von ihr selber geschrieben, direkt und echt, ehrlich und ungekünstelt.
Die Songs für «Hungry Again» sind entstanden während eines dreimonatigen Rückzugs in ihr Tennessee Mountain Home, den Schauplatz ihrer Kindheit. Dort habe sie «ein bisschen gefastet, ein bisschen gebetet und viel nachgedacht», sagte sie der Zeitung «USA Today». Und eine ganze Menge neuer Songs hat sie daneben auch geschrieben - 37 genau.
Mit diesen Songs ging sie aber nicht etwa zu einem kommerziell erprobten Produzenten nach Nashville, sondern zu ihrem Cousin Richie Owens. Owens koproduzierte «Hungry Again» zusammen mit seiner Cousine. Und seine Band Shinola, die sich eben in Five Bucks umbenannt hat, begleitete Dolly auf dem ganzen Album. Die Kombination von Dollys Bluegrass-Sopran und Owens' Alternativ-Rock wirkt überhaupt nicht gewollt, sondern klingt ganz selbstverständlich nach unverkrampfter Familienmusik. Mit Niveau allerdings. Kein anachronistisches Banjo weit und breit, dafür raue Gitarren, die eins zu eins zu Dolly Partons neuen Story-Songs passen.
Immer eine rettende Hand breit vom Kitsch entfernt schreibt und singt Parton auch hier, was sie schon immer am besten konnte: Geschichten, die das Leben in den Smokey Mountains wahrscheinlich noch heute schreibt. Die Sängerin, das bestätigt sich wieder, ist dann am besten, wenn sie nicht krampfhaft versucht, kommerziell zu sein.
Es wundert ein bisschen, dass Parton so lange versucht hat, kommerziell wieder zu reüssieren. Denn sie gebietet über einen millionenschweren Unterhaltungskonzern; vor allem ihr Freizeitpark «Dollywood» in Pigeon Forge in den Smokey Mountains bringt astronomische Gewinne. Nun soll dort eine neue Achterbahn gebaut werden - mit zwei riesigen Loopings. Zu dieser offensichtlichen Anspielung auf ihre Figur witzelt sie: «If Disneyland can have Space Mountain, why can't I have Twin Peaks?»
«Mir geht es nicht um den Gewinn. Ich war bloss noch immer hungrig darauf, das zu machen, was ich am liebsten tue», sagt Dolly Parton. «Am glücklichsten bin ich eben mit einer Gitarre in den Händen. Und ausserdem zähle ich nicht mein Geld, sondern meine Gaben.»
Ein Text, zu dem man schon die Gitarren-Akkorde hört.